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Klara Burghardt

Der Klecks

 

Klara Burghardt

Email: klaraburghardt@gmail.com    http://www.klaraburghardt.com/index.php?lang=de 

 

Der Klecks

          Anna saß mit zusammengezogenem Magen, mit ausgetrocknetem Hals und mit Angst im Herzen in der hinteren Bank der achten Klasse. Draußen schien die Sonne, ihre warmen Strahlen steichelten das Mädchen, doch es schaute nur zur Tür, wo ihr Lieblingsliteraturlehrer bald hereinkommen musste.

 

          Es hat vor einigen Minuten geklingelt.

 

          Anna konnte die Pause nicht genießen. Solange ihre Klassenkameradinnen und Freundinnen sich an der Mauer gesonnt haben, setzte sie sich unter einen Baum, einsam. Jetzt konnte sie den Lärm der anderen, das laute Lachen, das Herumtoben der Buben nicht ertragen. Sonst hatte sie damit kein Problem, doch dieser Tag war sehr aufregend für sie.

Vor zwei Wochen hatte die achte Klasse vom Literaturlehrer, der einer der strengsten Lehrer war, eine besondere Hausaufgabe bekommen.

 

          Sie bekamen ihr Aufsatzheft, um es mit nach Hause zu nehmen und in einer Woche die längste und schwerste schriftliche Arbeit in ihrem bisherigen schulischen Leben zu schreiben. Der Titel hieß: Mein Vorbild.

 

          Die Schüler durften ihre Bücher, Hefte von der achten, und auch von den unteren Klassen benutzen, doch sie mussten alle künstlerischen Mittel zum Thema verwenden, die sie in den vier Jahren der Oberstufe beim Herrn Lehrer gelernt haben!

Dafür bekamen sie eine Woche.

 

          Doch weh, wenn dem Heft etwas passiert, oder wenn jemand nicht die 5-6 Seiten, mit der wunderbarsten und reinsten Schrift schreibt!

 

          Annas Lieblingsfach war Literatur. Schon im August, als sie ihre neuen Bücher bekam und sie schön einpackte, konnte sie es nicht aushalten, ihr Literaturbuch durchzulesen!

 

          Sie hatten für jedes Jahr neue Pflichtlektüre. Sie erkundigte sich am Ende des vorigen Jahres danach und gleich am Anfang der Ferien lieh sie das Buch in der Dorfbibliothek aus.

 

           Mit der Pflichtlektüre beschäftigte sie sich den ganzen Sommer. Nach jedem Kapitel schrieb sie den kurzen Inhalt, die Handlung, die Personen und ihre Charakterisierung in ein kleines Heft.

 

          Am ersten Schultag, als der Literaturlehrer mit strengen Worten ihnen prophezeit hat: „Wer die Pflichtlektüre fürs neue Schuljahr nicht oder nur oberflächlich liest, der kriegt’s mit mir zu tun!”, da saß Anna sehr erleichtert in ihrer Bank. Sie hat im Sommer zwar weniger Zeit mit ihrer Freundinnen verbringen können, doch die „Last” mit der Pflichtlektüre hatte sie für das Schuljahr los. Sie konnte sich so auf die anderen wichtigen schulischen Sachen konzentrieren.

 

          Sie setzte sich jeden Tag, nach dem Mittagessen neben ihre Schwester und half ihr beim Lernen. Auch der Nachbarssohn gesellte sich zu ihnen.

 

          Anna kümmerte sich flichtbewusst um die Kinder.

 

          Als Sicherheit stellte Oma immer den Besen an den Tisch, wenn jemand von den kleineren Fratzen nicht folgen würde, würden er oder sie von der Oma mit dem Besen kriegen! So herrschte Ordnung in der „Klasse”!

 

          Nur als alle Kinder mit den schriftlichen und mündlichen Hausaufgaben fertig waren, die Gedichte, Märchen, Lektionen  gelernt hatten, in die Hefte mit reiner, schöner Schrift geschrieben hatten, die Bleistifte gespitzt waren und  alles in die Schulranzen gepackt war, konnte sich Anna an ihre eigenen Hausaufgaben machen. Sie war schon ziemlich müde. Oma streichelte das Mädchen, brachte ihr ein feines Pausenbrot, und erst dann begann sie mit dem Lernen.

 

          Auch in der Woche mit dem schwierigen Literaturaufsatz war es nicht anders. Sie hatte eine stressige Zeit, mit viel Druck.

Zuerst lernte sie jeden Nachmittag mit den Jüngeren, dann bereitete sie sich für den nächsten Schultag vor. Das Schuljahrende war schon nahe, sie wollte ihre guten Noten nicht verschlechtern! Erst, als alles gelernt war, machte sie sich an den Aufsatz. Bis Samstag, den letzten Schultag der Woche muss sie fertig sein!

 

          Sie hat viele Bücher gelesen, so könnten viele Romanhelden ihr Vorbild sein!

 

          Sie stöberte in ihren Erinnerungen, Eva Cecey, Gergely Bornemissa, Eugen Baradlay…….die Reihe war lang.

 

          Sie überlegte lange, doch zuletzt warf sie diese Idee weg.

 

          „Meine Mutti wird mein Vorbild sein!”

 

          Das Gedicht :”Mama” von Attila József  stand ihr damals sehr nahe. Sie fühlte genauso, wie der große Dichter!

 

          Elisabeth, ihre Mama war eine alleinerziehende Mutter. An Werktagen kam sie nicht nach Hause, nur am Wochenende. Sie bekam ein kleines Zimmer auf dem Arbeitsplatz, wo sie an Werktagen wohnen konnte. Solange betreuten die Oma und die Tante die kleinen Töchter.

 

          Anna hätte ihre Mutter immer gerne bei sich gehabt, doch auch am Wochenende war sie sehr beschäftigt. Es war im Haus und im Garten immer was zu tun, was die Oma und die beiden Mädchen nicht haben machen können, so musste Lisi halt auch am Wochenende viel schaffen. Die Kinder hatten wenig von der Mutti gehabt!

 

          So begann Anna von ihrer Mutti, doch von einer Idealmutter zu schreiben.

 

          Sie verwendete viele künstlichen Mittel, so wie es der Herr Lehrer gefordert hat.

 

          Zuerst schrieb sie die Skizze, dann suchte sie Zitate und langsam stellte sich der Aufsatz im Konzept zusammen.

 

          Es war nur noch ein Tag bis zur Eingabe des Aufsatzes. Am letzten Nachmittag musste Anna  mit ihrer schönsten Schrift ihre Gedanken ins Aufsatzheft  schreiben. Sie nahm ihren besten Kuli, legte Zeitungspapier auf den großen Hockerl, stellte diesen und ihren kleinen Stuhl auf den Gang und begann zu schreiben.

 

          Sie warf in den letzten Tagen viele Papierknollen weg, bis sie endlich zufrieden war mit ihrer Arbeit. Das Konzept ist gut gelungen.

 

          Die Kinder der Verwandtschaft haben schon bei den Kellern getobt, Oma lies die deutsche Zeitung und sie konnte in aller Ruhe schreiben. Als sie fertig war, war sie glücklich.

 

          Endlich konnte sie nach dem dritten Durchlesen das Heft zumachen.

 

          Oma brachte dem müden Mädchen ein Pausenbrot.

 

          „Iß  mein Kind einen Brocken, du bist ganz ausgemerkelt!”

 

          Sie reichte Anna eine mit Hühnerfett bestrichene Brotscheibe. Anna hatte schon großen Hunger. Als sie das Brot in die Hand nahm, drehte sie sich und ein Tropfen Fett fiel auf das zugemachte Heft.

 

          Ein winzigkleiner Tropfen, aber Anna schaute verzweifelt auf den Fleck.

 

          „Der Herr Lehrer schlägt mir den Kopf ab!” blitzten ihr die Worte des Lehrers ins Gehirn.

 

          Sie war ratlos. „Was soll ich jetzt tun?

 

          Die Schüler durften das Heft nicht einpacken.

 

          Es schien, als wenn der Klecks immer dunkler und größer wäre, ihre Angst hatte keine Grenzen.

 

          Oma versuchte das Mädchen zu trösten, doch vergebens. Anna fing an zu weinen. Sie schämte sich.

 

          „Es ist nichts zu machen. Ich muss die Arbeit so einreichen!”

 

          Diese Nacht konnte Anna ihre Augen nicht zumachen. Sie hat ihre wichtigste Arbeit vermasselt! Was wird der Herr Lehrer zu dieser dreckigen Arbeit sagen?

 

          Am nächsten Tag saß Anna mit Krampf im Magen in der Bank.

 

          Als der Lehrer mit dem Heftpacket in die Klasse kam, mit ernster Miene zum Lehrertisch ging und die ganze Klasse dunkel anschaute, senkte Anna den Kopf. Sie konnte vor lauter Scham nicht in seine Augen schauen.

 

          Herr Krausz begann die Hefte auszuteilen. Zu jeder Arbeit fügte er außer den Noten auch seine strenge mündliche Meinung hinzu. In der Klasse herrschte Todesstille.

 

          Als Anna an die Reihe kam, stand sie langsam auf.

 

          „Sehr schöne Arbeit! Ausgezeichnet!

 

          Bevor sie sich aber freuen konnte, wurde der Lehrer laut: „Aber was ist das? „

 

          Der Klecks war mit Rot eingekreist und ein großes rotes Fragezeichen zierte die Frontseite ihres Heftes.

 

          „Weißt du, wie das Werkzeug, so der Handwerker?”

 

          Anna brach in Weinen aus.

 

          Erst nach vielen Jahren sprach sie mit ihrem Lieblingslehrer, mit ihrem Vorbild und Mentor über diesen Aufsatz, über Annas Heft. Da erfuhr sie vom schon grauhaarigen, alten Lehrer, wie er es damals gemeint hatte.

 

          Ihm sind die Tränen gekommen, als er Annas Aufsatz gelesen hat. Er kannte die Umstände, die Lage ihrer Familie. Umso berührend fand er den Traum des Mädchens.

 

          Aber nichts ist so gut, was nicht noch besser sein könnte. Der Klecks kam ihm gut, einen Fehler zu finden!

 

          Omas Satz:”Nur die leere Ähre hebt den Kopf, die volle hängt ihn nieder!”, brennt auch immer noch in Annas Erinnerung. Genau wie der geliebte Lehrer, zeigte sie dem Mädchen, dass man den Erfolg mit Demütigung annehmen soll. Nie hochnäsig sein!

Heute ist Anna in der Rente. Als ehemalige Lehrerin sagte sie den Satz vom Werkzeug und von der Getreideähre oft ihren Schülern. Sie erinnert sich mit tiefster Dankbarkeit an ihren Verwandten, die sie liebevoll erzogen hatten, auch an ihren geliebten, geehrten Lehrer, Sie ebneten alle mit strenger Liebe ihren Weg.

 

          Anna hat die gehörten Sätze für ein Leben lang gelernt und sagt nach jedem Erfolg lächelnd ein Dankeschön dem Gott und den gestorbenen lieben Menschen!

© Klara Burghardt

 

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